Das Schaudepot

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Hören von calendal

In einem Kreis zusammenfinden.
Kurz Bedürfnisse abfragen: wer will lieber sitzen, wem ist es recht zu stehen.
Kurzes Aufwärmen durch Schütteln des Körpers.
Dabei geht die Bewegung aus der Körpermitte los und läuft durch den ganzen Körper.
Dann.
Kurze Einführung zum Hören und Wahrnehmen von Geräuschen.
Dann.
Ihr hört gleich dreimal einen Gong.
Nach dem dritten Mal seid ihr aufgefordert die Geräusche der Umgebung wahrzunehmen.
(hier war eigentlich geplant, einigen die Erlaubnis zu geben, selber Geräusche zu machen, nach
einem ersten Versuch, bei dem ich merkte, dass der Auftrag zu unklar formuliert wurde, brach ich
dieses Angebot ab und verlagerte die Aufgabe zurück zum Hören.)
Zweiter Anlauf.
5-10 Minuten aushalten sich nur auf das Hören zu konzentrieren.
Ein Gong gibt den Start.
Ein weiterer Gong bedeutete das Ende.
Gong.
5-10 Minuten vergehen.
Zweiter Gong.


Dann.
Über das Wahrgenommene sprechen.
Ist es möglich auf die andere Seite des Hügels zu hören?
Was bedeuten einzelne Geräusche, welche Informationen lassen sich daraus ableiten?
 

Dann.
Verabschiedung.

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Wenn ich an einen neuen Ort komme, schließe ich die Augen und versuche, alle Geräusche wahrzunehmen, die mich umgeben. Dann versuche ich, sie zu ordnen. Welche Geräusche sind stetig, welche flüchtig da und welche Entfernungen haben sie zu mir? Jeder Ort hat eine eigene Geräuschmischung, eine Art Signatur. Sie verändert sich häufig je nach Uhrzeit und Anlass, aber die Verhältnisse, die Reflexion, der Hall der Geräusche bleiben gleich. Beim Nachdenken über Geräusche und beim Sprechen mit anderen über Geräusche ist mir aufgefallen, dass es schwierig scheint, Geräusche ohne ihre Erzeuger oder Ähnlichkeiten zu bekannten Geräten, Tieren oder Menschen zu beschreiben. Geräusche werden meist in Relation beschrieben. Sie sind wie oder haben Ähnlichkeiten zu. Ich stehe in Backnang und suche Worte für das Dröhnen eines Flugzeugs, das über mich hinwegfliegt. Wem hilft die Information über Frequenzbereiche? Was stellt man sich vor, wenn man von einem tiefen Bass hört? Gerade arbeite ich mit meinem Kollektiv die apokalyptischen tänzerin*nen an einem Live-Hörspiel, in dem es eine leichte Verschiebung der Gegenwart gibt. Viele der unseren Alltag bestimmenden Maschinen gibt es dort nicht und die Protagonistin*nen sind Tiere, die nun mal eine andere Wahrnehmung der Welt haben als wir Menschen. Welche Geräusche braucht es also für eine unbekannte Welt? Wie wird unsere Zukunft klingen? Was verschiebt sich im Hören? Welche Geräusche erzählen auf der Bühne eine leichte Verschiebung der Welt, ohne dabei als Zeichen wahrgenommen zu werden? Wie klingt eine Welt in den Trümmern der jetzigen? Wie verschiebt sich der Hall, die Reflexion, die Verhältnisse? Diese Fragen begleiten meine Arbeit gerade und laden zu Spekulationen ein, die mit dem Publikum geteilt werden.

CV

calendal (they/them), geboren 1994, studierte Angewandte Theaterwissenschaften in Gießen und Regie an der ZHDK Zürich. Seit 2017 ist calendal Teil von ,die apokalyptischen tänzer*innenfür die calendal sowohl als Regie, Dramaturgie und Performerin tätig ist. calendal schreibt und veröffentlicht in unregelmäßigen abständen auf dem Blog ,weiter machenEssays, Prosa und Kurzgeschichten.

Foto:  ,Hören‘ – Warm-Up von calendal im Rahmen des JETZT!-Festivals der KulturRegion Stuttgart mit Mitgliedern des Blinden- und Sehbehindertenverbands Baden-Württemberg, 5.10.2024. Foto: Frank Kleinbach